In unbekannten und riskanten Situationen ist Angst (griech. „Phobie“) ein wichtiges Warnsignal. Die „innere Warnblinkanlage“ schützt uns vor Gefahren. Sie sorgt ja dafür, dass wir besonders aufmerksam und vorsichtig sind. Angst kann einen Menschen aber auch lähmen. Die Angst vor großer Höhe (z. B. über die Köhlbrandbrücke zu fahren), die Angst in einen Aufzug zu steigen, allein über weite Plätze zu gehen oder die Angst vor Spinnen kann dazu führen, dass wir solche Anlässe vermeiden.
Wenn Angstattacken aber aus scheinbar heiterem Himmel kommen oder Angstanlässe – bzw. ihre Vermeidung – das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen, dann handelt es sich um eine seelische Erkrankung, nämlich eine Angststörung.
Über eine besondere Seite der Angststörung berichtet ein Patient:
„Das Schlimmste ist eigentlich die Angst vor der Angst. Ich mache mir totalen Stress, wenn ich weiß, es kommt eine Situation, vor der ich Angst haben könnte. Wenn ich schon merke, dass mein Puls schneller geht, und das Gefühl habe, mein Hals schwillt zu, und ich kriege Magenschmerzen, dann fange ich an, schneller zu atmen, fange an zu zittern. Und wenn das so weit ist, haue ich ab, weil ich weiß, die Situation kann ich nicht aushalten.“
Symptome von Angststörungen
Angststörungen gehören wie die Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Umfragen zeigen, dass etwa 14% der Erwachsenen in Deutschland unter einer Angststörung leiden. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig wie Männer. Die Erkrankung wird oft nicht gleich erkannt, weil betroffene Menschen zunächst mit den körperlichen Symptomen wie etwa Schwindel, Herzrasen, Magen-, Darmbeschwerden zum Arzt gehen.
Typische körperliche Symptome von Ängsten
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Typische Gefühle sind: Panik, Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Kontrollverlust bis hin zur Todesangst.
Typische Gedanken sind: „Ich werde mich blamieren!“, „Nun ist es so weit: Herzinfarkt!“, „Ich werde verrückt!“, „Das ist das Ende!“
Typische Verhaltensreaktionen sind, aus der Angstsituation zu fliehen oder sie zu umgehen oder Schutz bei einer vertrauten Person zu suchen.
Häufig entsteht ein psychischer Kreislauf der Angst. Herzklopfen zum Beispiel wird als Herzinfarkt missdeutet. Die Angst vor dem Infarkt führt zu einer vermehrten Anspannung. Diese wiederum verstärkt das Herzklopfen und damit die Angst und die Angstgedanken. Die Spirale der Angst entgleist.
Einige Formen von Angststörungen
Panikstörung:
Davon betroffene Menschen leiden unter Angstattacken aus heiterem Himmel. Auslöser können z.B. größere Menschenmengen oder leere Plätze (Agoraphobie) sein.
Soziale Ängste:
Diese Menschen haben Angst vor der Begegnung mit unbekannten Menschen, besonders bei Prüfungs- oder anderen Leistungssituationen.
Zwangsstörung:
Zwänge wie zum Beispiel Waschzwang, Kontrollzwang oder Wiederholungszwang bestimmen das Leben dieser Menschen.
Hypochondrie:
Die Angst, an einer schweren körperlichen Erkrankung zu leiden, beeinträchtigt das Leben (z.B. „Herzneurose“, „Krebsangst“).
Generalisierte Angststörung:
Davon Betroffene haben eine ständige ängstliche Erwartung vor Ereignissen, die evtl. eintreten könnten.
Therapie
Mit professioneller Hilfe lassen sich Angststörungen und Phobien in der Regel sehr gut behandeln. Der Hausarzt sollte zunächst die körperlichen Beschwerden abklären. Arbeiten Herz, Kreislauf, Lungen und Verdauungsorgane normal? Wie sieht es mit der Schilddrüse aus? Gibt es Auffälligkeiten im Gehirn?
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie ist in der Behandlung einer Angststörung die Therapie der Wahl. Um Ansatzpunkte für eine Veränderung zu finden, versucht sie, die Bedeutung der Angstauslöser zu verstehen und den Angstkreislauf zu durchbrechen. Verhaltenstherapeuten konfrontieren die Patienten und Patientinnen mit ihren Ängsten und helfen dabei, dem gewohnten Flucht- und Vermeidungsstreben zu widerstehen. So lernen die Betroffenen, sich an die (Angst-) Auslöser zu gewöhnen und sehen, dass sich die Angst mit der Zeit von alleine abbaut.
Tiefenpsychologie oder psychodynamische Therapie
Wenn die tiefenpsychologisch fundierte Therapie versucht, die inneren und äußeren Umstände der Ängste der Patienten zu klären, kommen meist unbewusste Konflikte zur Sprache, die hinter den Ängsten stecken, z. B. ein grundsätzliches Minderwertigkeitsgefühl oder eine kindliche Verlustangst. Diese Konflikte werden dadurch „bearbeitet“, dass die damit verbundenen Gefühle erinnert und nochmals durchlebt („aktualisiert“) werden. Zugleich werden Hilfsquellen gesucht und aufgedeckt, die dabei helfen, dass die mit dem Hintergrundkonflikt verbundene Angst überflüssig wird.
Was können Sie als Angehörige tun?
Wenn Sie Ihrem Partner(1) oder Angehörigen, der von einer Angsterkrankung betroffen ist, helfen wollen, überfordern Sie ihn nicht, aber nehmen Sie ihm nichts ab, was er noch gut alleine bewältigen könnte.
Informieren Sie sich über die Krankheit und ihre Auswirkungen. Die Betroffenen selbst können ihre Bedürfnisse oft nicht klar sagen, weil sie mit der Angstvermeidung beschäftigt und gestresst sind. Es wird für Sie leichter, wenn Sie die Hintergründe der Erkrankung besser verstehen.
Eine Angststörung beeinflusst die Gefühle eines Patienten (1), aber nicht seine Intelligenz! Er sollte daher möglichst alle Entscheidungen selbst fällen. Bestimmen Sie als Angehörige nicht über seinen Kopf hinweg, sondern unterstützen Sie ihn bei seinen Zielen, die er sich selbst gesteckt hat. Spielen Sie nicht den Therapeuten, sondern bleiben Sie erwachsener, liebender Partner oder Angehöriger auf Augenhöhe!
(1) Die weibliche Form ist immer mit gemeint!